
Ich habe mal wieder ein tiefgründiges Thema mitgebracht. Akzeptanz. Ein Wort, dass mir in den letzten Monaten immer häufiger in den Sinn kommt. Als Herausforderung im Alltag mit Baby und Kleinkind, werde ich seit der Geburt meines 2. Sohnes (BV) immer wieder daran erinnert. Doch wie gelingt es mir die Facetten unseres Alltags zu akzeptieren?
Heute möchte ich davon erzählen, welche Bereiche meines Lebens und meiner Gedanken davon betroffen sind – und wir tauchen dabei mal wieder sehr tief in meine Gedanken- und Lebenswelt ein. Ich für meinen Teil, werde sicherheitshalber wieder eine Packung Taschentücher bereit halten.
der Alltag
Die Situation
Gut, bevor ich mich an die großen Themen heran wagen kann, muss ich klein anfangen. Auch wenn es zeitlich den größten Raum einnimmt, ist es doch emotional etwas weniger aufwühlend: Unser Alltag.
Sagen wir mal so – im Vergleich zu meinen Tagen mit zwei Kindern (unter 2 Jahren) ist der Alltag mit nur einem Baby wie ein Spaziergang auf einer Blumenwiese. Man sagt ja so schön: Ein Kind ist wie kein Kind.
In der Zeit mit meinem 1. Sohn (BB) war ich noch unglaublich aktiv und schaffte viel. Meine Wohnung war zwar nicht mehr so perfekt sauber wie noch ohne Baby, aber doch konstant reinlich. Ich mistete die Wohnung fleißig aus, wir besuchten unsere Kurse, machten Wanderungen usw.
Heute habe ich einen 2 und einen 1/2 Jährigen zuhause – und was soll ich sagen: die Tage fühlen sich dermaßen stressig und unproduktiv an, dass ich kaum sagen kann, wann ich zuletzt mit purer Entspannung schlafen gegangen bin.
Wir gehen zwar immer noch unserem schönen Programm nach (wie Kurse, Schwimmen o.ä.) doch zwischen einem Haushalt der gemacht werden will, einem Baby mit vielen Bedürfnissen und einem Kleinkind, dass plötzlich so gar nicht mehr kooperiert – hetze ich oft nur noch durch den Tag.
Ein Zustand, der mir so absolut gar nicht gefällt.
Ich bin ein proaktiver Mensch – eine SystemMama.
Aber in den letzten Monaten wurde eine Feuerwehrfrau aus mir. Denn alles was ich tue, ist Brände löschen, die ich habe „entstehen lassen“.
Sind beide Kinder (und ich) gebadet und geduscht, ist die Küche noch schmutzig.
Steht pünktlich das Essen auf dem Tisch, ist das Wohnzimmer ein Chaos.
Habe ich mit den Kindern gespielt, türmt sich die Wäsche weiter auf.
Bin ich zu den Terminen pünktlich gekommen, habe ich meine Geduld bei den Kindern verloren.
Und so weiter und so weiter….
Weg mit der ToDo Liste
Eines Tages, als ich mal wieder in meinem riesen Wohnungschaos saß und verzweifelt versuchte, Frau der Lage zu werden, reichte es mir dann völlig.
Und ich erinnerte mich selbst mal wieder an den wichtigen ersten Spruch aus meinem inspirierenden Sprüchekatalog : Mein Alltag ist ihre Kindheit.
Heute arbeite ich also täglich daran, das Chaos anzunehmen und ich setze Prioritäten. Meine Kinder sind ganz klar ganz oben!
Ich lerne also, den Tag so zu akzeptieren, wie er kommt. Meine Kinder so zu akzeptieren, wie sie gerade sind. Ein wichtiger Faktor dabei ist, dass ich derzeit so gut wie nie eine ToDo Liste führe (sehr untypisch für mich). Oftmals schreibe ich mir mal die 2-3 wichtigsten Dinge auf, die ich nicht vergessen sollte oder aus den Augen verlieren will. Aber ich führe keine lange Aufgabenliste.
Stattdessen nehme ich den Tag wie er kommt, erledige die Aufgabe, die mir entgegen kommt, lösche Brände wo sie enstehen und arbeite an meiner Gelassenheit, während ich in diesem Chaos stecke.
Der Lebensabschnitt
Gehen wir eine Ebene weiter. Immer öfter kommt mir nämlich in letzter Zeit ein besonders wichtiger Gedanke: Dieser Lebensabschnitt wird nicht ewig gehen.
Nicht für immer werden wir Babys haben, nicht für immer werden unsere Kinder so klein sein. Und das kann man mit traurigem und fröhlichem Auge betrachten.
Denn mir ist schmerzlich bewusst, dass es irgendwann das letzte mal sein wird, wenn BB und ich an der Baustelle stehen und dem Bagger zu sehen. Das letzte mal im Familienbett schlafen, das letzte mal bei Mama in der Trage sein…
Doch aus all den letzten Malen werden auch wieder erste Male: der erste Film, das erste eigene Bett, der erste Kindergartentag, die ersten Freunde.
Doch all das, gibt es auch auf der „negativen“ Seite. Jedesmal, wenn ich mal wieder mit fettigen Haaren durch den Tag gehe, erneut nicht trainiert habe, die Wohnung verschmutzt ist und mein Mann und ich seit Monaten auf keinem Date waren, hole ich mir ins Gedächtnis, dass wir nicht ewig ein Baby und ein Kleinkind haben werden.
Wenn es dann mal wieder ein besonders anstrengender Tag war, eine harte Woche – oder derzeit sogar ein ganzes halbes Jahr, hohle ich es mir wieder ins Gedächtnis: Dieser Lebensabschnitt wird nicht ewig gehen und meine Kinder verdienen es, dass ich nicht dem nächsten Abschnitt hinterher jage, sondern den Moment genieße.
mein 80 jähriges ich
Damit mir das gelingt, mache ich immer wieder eine (mittlerweile vielleicht bekannte Übung): ich stelle mir vor, wie mein Zukunfts ich mit 80 Jahren die Gelegenheit bekommt, an diesen einen Tag oder diesen einen Moment zurück zu gelangen. So fällt es mir leichter zu erkennen, was gerade wirklich zählt.
Dabei lasse ich derzeit auch oft 5 gerade sein. Während nämlich viele meiner befreundeten Mamas (mit einem Kind) tolle Kekse backen, Wichteln und eine magische Weihnachtszeit verbringen – gibt es bei mir Fertigkeksteig (früher undenkbar bei mir).
Aber so ist das eben, das Leben und man selbst können eben nicht immer den eigenen Wünschen und Ansprüchen genügen. Und so erwarte ich nicht die Dinge, die in diesem Lebensabschnitt nicht zu erwarten sind.
Ausgehen kann ich (wenn ich will) noch mein ganzes restliches Leben lang – aber meine Kinder in den Schlaf begleiten, mit ihnen auf dem Spielteppich sitzen und rumalbern oder sie den ganzen Tag im Tragetuch an mich kuscheln, dass sind kostbare Momente auf Zeit.
das Ding mit der Karriere
Wenn ich über dieses Thema nachdenke, werde ich oft sehr Gesellschaftskritisch. Und immer wieder kommt mir dabei Jordan Peterson in den Sinn, der sinngemäß mal meinte: dass es doch traurig ist, dass uns Frauen vorgemacht wurde, dass es irgendwas magisches an einer Karriere gäbe…
Und ich merke das oft auch in meinem Umfeld – während ich noch in der Karenz mit meinem 2. Kind bin (und das noch ganz am Anfang) kommt bereits Druck von außen, mir Gedanken zu machen, was danach kommt. Was ich beruflich mache, wie ich mein eigenes Geld verdiene usw.
der Hintergrund
Zwei Dinge lasten mir dabei oft auf der Seele, wenn dieses Thema hoch kommt.
1. ich wäre so gerne in einer Welt, in der es nicht notwendig wäre, dass beide Elternteile so hart arbeiten müssen, um eine Familie ernähren zu können. Versteht mich nicht falsch – natürlich bin ich eine empanzipierte Frau. Ich stehe für Gleichberechtigung ein, möchte mein eigenes Geld verdienen und auch finanziell für meine Familie sorgen. Gleichzeitig möchte ich aber auch, dass meine Kinder meine Priorität sein können. Ich möchte mich nicht morgens um 8 von ihnen verabschieden und was am Ende des Tages übrig bleibt, sind wenige Stunden, die von Müdigkeit und Hausaufgaben überschattet werden.
2. Hatte ich keinen glorreichen Karriereweg. In den Anfang 20ern war ich viel zu abgelenkt, beschäftigt damit mein Leben und mich selbst auf die Reihe zu kriegen … so, dass ich immer wieder Richtungswechsel einlegte. Bis ich schließlich mein Studium aufgab um das Ziel zu verfolgen ein eigenes Café zu eröffnen. Ein guter Job, viele Kurse, eine Hochzeit und eine Pandemie später… ist der Plan gescheitert. Während Corona und der ständigen Gastronomie-Schließungen entschieden mein Mann und ich uns für die Familienplanung und mit der Geburt meines ersten Sohnes habe ich den Traum vom eigenen Café entgültig begraben – zu hoch wäre der Preis täglich so viele Stunden, von meinen Kindern getrennt, im Laden zu stehen.
dann kam der Blog
Bis eines Tages der Wunsch nach dem Schreiben wieder aufkam. Schon immer saß ich gerne am Laptop und tippte in die Tastatur – nur hat mir viele Jahre lang der Inhalt gefehlt. Mit dem Mama sein waren sie jedoch endlich da:
die Ideen & die Themen, die mich ausmachen.
Und jetzt fühle ich immer mehr den Druck. Die Angst, dass ich mich wie der größte Versager fühlen würde, wenn ich (wieder) scheitere. Der Druck, der nicht nur durch mich und meinen Weg verursacht wird, sondern auch immer mehr von der Gesellschaft, die mir einredet, Hausfrau und Mutter zu sein, wäre nicht erfüllend genug, ich müsse mehr leisten und eine erfolgreiche Karriere vorweisen können!
Gleichzeitig hält die Zukunft, die ich mir mit diesem beruflichen Weg vorstelle, so Unglaubliches bereit, was ich nicht bereit bin gegen einen 9-5 Job einzutauschen. Ich gehöre wohl zu diesen naiven Millenials, die glauben, diesem Hamsterrad ein für alle mal entwischen zu können und Karriere und Mama-Sein gleichzeitig bekommen zu können.
der (Akzep)Tanz
Niemand weiß was die Zukunft bringt und ich kann die Zukunft nicht ändern, indem ich mir ständig Druck mache. Mich darüber ärgere, dass ich nicht schnell und erfolgreich genug vorran komme oder meinen Kindern die Schuld daran geben, wenn sie mich an einem Tag mehr brauchen als gewöhnlich und ich deswegen einen Artikel mal wieder zu spät online stelle.
Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass in mir viel Potential steckt, wenn es um SystemMama geht – und dass ich noch genug Zeit habe, dieses Potential auszuschöpfen. Den Druck zu erhöhen wird nicht den Gewinn erhöhen, sondern nur alle stressen. Deswegen gehe ich im wahrsten Sinne des Wortes mit AkzepTANZ an die Sache dran und tanze den Druck einfach weg.
die Vergangenheit
Puh, das wohl härteste Thema dieses ganzen Artikels, aber wieder mal das Ziel auf das ich hingearbeitet hatte.
In den letzten Wochen zeigte sich mir immer deutlicher, dass ich gerne das Narrativ auf dem Blog etwas ändern möchte.
Auslöser war ein Gespräch mit meiner Bonusmama, darüber wie ich als Mama so bin. Oftmals versteht nämlich mein Vater nicht so ganz, warum ich so viel nachdenke und nachlese darüber was (meine) Kinder brauchen. Meine Bonusmama sagte dann nur: „Es ist doch völlig verständlich, dass sie diese Art von Mama ist, wenn man bedenkt, was für eine Kindheit sie hatte!“
Und mit diesem Satz hat sie so einige Gedanken bei mir ins Rollen gebracht. Schlussfolgernd kam ich dann zum Gedanken, dass ich mit dem Blog – als SystemMama – immer authentisch zeigen wollte, wie man sich heutzutage im Dschungel des Mutterseins zurecht findet. Und dabei bemerkte ich, dass ich das Authentischsein vernachlässe, wenn ich diesen Teil von (weiterhin) verberge.
Jeder der selber Kinder hat weiß wovon ich spreche: Kinder halten einem das Fernglas vor die Augen, das einen auf die eigene Kindheit blicken lässt. Plötzlich ist es wieder ganz nah. Doch was ist, wenn einem so ganz und gar nicht gefällt, was man da sieht?
Ich weiß und kämpfe schon seit vielen Jahren mit den Geistern der Vergangenheit, denn meine Kindheit war nun mal einfach nicht schön. Sie war geprägt von Einsamkeit, Verlorenheit und auch emotionalem Missbrauch. Und auch wenn nicht jeder Tag von der dunklen Seite war, so waren sie leider oft die prägenden.
das Muttersein neu erfinden
In meinen 20ern habe ich viele Erkenntnisse gewonnen, eine Therapie besucht, im Rahmen meiner Partnerschaft (und jetzt Ehe) arbeite ich auch heute noch vieles auf und arbeite stetig am loslassen. Aber nichts und niemand ist dabei so brutalehrlich und gleichzeitig so hilfreich, wie es meine Kinder sind. Es verlangt so viel von mir ab, angelernte Muster nicht zu wiederholen und stattdessen meine Traumata aufzulösen. Es ist, als müsste ich das Muttersein neu erfinden und das ist sowohl das schönste, als auch das schwerste daran.
Mit der Wochenbettdepression kam mir schließlich das Bewusstsein dafür, dass diese Themen wie ein Schatten über mir lauert und ich konstant aufpassen muss, nicht hinzufallen. Denn das gefährliche an einer Depression ist, dass man sich beim Hinfallen an den Menschen festhält, die man am meisten liebt – und sie dabei mit nach unten reißt.
Schließlich habe ich die Entscheidung getroffen das Thema ein für alle mal zu akzeptieren. Es anzunehmen wie es nun mal ist und dabei so offen und ehrlich zu sein, wie nur möglich! Ich möchte, jede Mutter da draußen, die ähnliches durchmacht, daran teilhaben lassen, was ich lerne. Deswegen nehme ich euch mit auf die Reise zur Heilung und wage den ersten Schritt, die Akzeptanz, indem ich es öffentlich ausspreche:
Ich bin ein Narzissenkind!