
Im heutigen Zeitalter sind wir umgeben von inspirierenden Personen, die viele einprägsame Dinge sagen.
Einige dieser Sätze haben sich bei mir eingebrannt und begleiten mich als Mama von Kindern unter 2 Jahren täglich.
4 davon möchte ich euch heute näher bringen, denn es sind solche inspirierende Gedanken, die da in den Alltag meiner Kinder einfließen dürfen.
„Dein Alltag ist ihre Kindheit“
Es ist 6 Uhr morgens und nach nur 5 Stunden Schlaf weckt mich der Große schon wieder auf. Aufstehen, die Kinder wickeln, anziehen, stillen. Mich anziehen, Zähne putzen, BB Frühstück machen, stillen. „Was schon 9:30 Uhr?“ Mittagessen kochen, nebenbei Haushalt machen, stillen, Einschlafbegleitung. Aufräumen, Stillen, E-Mails, Posten.“
So in etwa verlaufen bereits die ersten 5 Stunden des Tages. Vollgepackt mit Basis-Bedürfnissen, ToDos und Haushalt. Es bleibt kaum Zeit für mich und meine Bedürfnisse, geschweige denn für Spiel und Spaß. Ja, hier und da krieg ich mal ein paar Minuten spielen hin. Aber das reicht mir nicht.
Nach dem Mittagsschlaf riskiere ich einen Blick auf meine ToDo Liste: Die Aufgaben haben sich geändert, aber die Liste ist noch gleich lang. Und dann schmeiße ich das Handtuch. Denke mir: „Sch*** doch auf die Spielsachen am Boden, das Geschirr in der Spüle, den schmutzigen Tisch“. Und dann schnappe ich mir die Kinder und wir ziehen los.
Wir gehen was erleben!
Und wisst ihr was – das muss nicht mal großartig geplant sein. Spielplatz, Bus fahren gehen (1x im Kreis), Baustelle, Park, ja sogar Supermarkt. Für die Kinder ist unsere Welt unglaublich spannend und aufregend. Ich betrachte in dieser Zeit die Welt durch ihre Augen – und, ich fand U-Bahn fahren oder auf den Bus warten noch nie so aufregend, wie mit meinem Sohn.
Am Ende des Tages, wenn die Kinder in die Feder fallen fange ich meine Arbeit an. Gemeinsam mit meinem Mann wird die Wohnung aufgeräumt und geputzt (obwohl wir beide schon so fertig sind) und nachdem alle Männer des Hauses schlafen sitze ich auch noch im Bett und arbeite an meinem Blog (für seine Träume muss man alles geben richtig?).
Doch ich sitze auch hier, höre das Lied „These are the days“ (Cory Asbury) und erinnere mich daran, dass ich es in der Hand habe. Ich beeinflusse welche Kindheit sie haben. Und es ist so ein gutes Gefühl, wenn ich weiß, dass wir vor dem Besuch des Supermarkts noch zur Baustelle geguckt haben und eine Stunde auf der Brücke saßen und den Zügen gewunken haben. Die Sorte Abenteuer, die meinen Alltag und ihre Kindheit großartig machen und die mein Herz mit Erinnerungen füllen.
„Bedürfnissorientiert heißt, an den bedürfnissen aller orientieren“
Von all den Konzepten, die es in der heutigen Zeit zum Thema Kindererziehung gibt, sagt mir dieses wohl am deutlichsten zu. Der bedürfnissorientierte Zugang hat grundsätzlich mal zur Prämisse, dass dem Verhalten unseres Kindes (und auch unserem) stets ein Bedürfnis zugrunde liegt.
Die Bedürfnisse des Kindes
Ein Beispiel: Das Werfen von Spielsachen könnte ausgelöst werden, von dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.
Es ist nun naheliegend, dass wir als Eltern das Verhalten unseres Kindes am besten korrigieren können, indem wir auf das grundsätzliche Bedürfnis eingehen und für die Deckung des Bedürfnisses Alternativen aufzeigen.
Statt das Kind dann zu schimpfen, dass es mit Spielsachen geworfen hat, gehen wir also auf das Bedürfnis der Aufmerksamkeit ein. Wir erklären, dass Spielsachen zu werfen eine unangemessene und gefährliche Reaktion ist und dass die Suche nach Mamas Aufmerksamkeit durch ein Auflegen der Hand auf ihren Schoß signalisiert werden könnte.
Oft haben Kinder, vor allem wenn sie so klein sind, aber auch ganz kleine und banale Bedürfnisse, für die wir einfach nur Platz und vor allem Zeit in unserem Alltag schaffen müssen. Dann warten wir Erwachsenen eben 5 Minuten, bis das Kind bereit ist sich anziehen zu lassen. Heute rasen wir nicht schnell zum Supermarkt und wieder zurück, sondern legen einen 30 minütigen Zwischenstopp beim Güterbahnhof ein. Wir lassen das Kind selber gehen und jeden Stein 3x umdrehen und dann lassen wir heute das Zähneputzen ausnahmsweise mal aus, weil das Kind heute wirklich einfach nicht mehr kann.
Die Bedürfnisse der Erwachsenen
Doch auch wir Erwachsenen haben Bedürfnisse und auch die gilt es zu äußern und zu respektieren. Erst heute hat mich wieder mal jemand in einem Gespräch darauf aufmerksam gemacht, warum Grenzen setzen (vor allem die persönlichen) so wichtig ist:
1. das Respektieren der Grenzen anderer verschönert den Umgang mit Gleichaltrigen (für dein Kind und die anderen)
2. das Kennen und Aufzeigen der eigenen Grenzen ist eine wichtige Form der Gewalt- und Missbrauchsprävention.
Wir müssen uns als Eltern, nicht nur in den großen, sondern auch in den kleinen Momenten unseres Alltags bewusst machen, dass unsere Bedürfnisse wichtig sind und unsere Kindern lernen dürfen und müssen, unsere Grenzen und Bedürfnisse zu wahren. Es ist Teil ihrer Entwicklung und Teil eines schönen Zusammenlebens.
Das kann bedeuten, dass ich als Mama Grenzen setze beim Stillen. Dass ich als Papa nicht möchte, dass mich die Kinder auf die Toilette begleiten. Es kann bedeuten, dass wir jetzt nicht die Wasserspiel-Station aufbauen, weil ich nicht mehr die nervlichen Kapazitäten haben, um das Chaos stressfrei zu bewältigen. Es kann bedeuten, dass ich den Haushalt liegen lasse und stattdessen 10 Minuten einen Kaffee trinke, bevor das Baby wieder wach wird…
Bedürfnisse erkennen
So weit, so gut. Das klingt doch erstmal auch sehr logisch und simpel. Aber, so ein Kleinkind hat täglich sehr viele Bedürfnisse und, dort wo Menschen zusammen kommen, treffen auch manchmal ihre Bedürfnisse aufeinander.
Es ist für mich eine große Herausforderung die Bedürfnisse meines Kindes tagtäglich zu erkennen. Erst gestern waren wir in einem Spielecafe und ständig hat mein Sohn zwei größere Kinder gezwickt und gehauen, obwohl sie vorher noch friedlich gespielt hatten. Es wäre am einfachsten gewesen es als „unartiges“ Benehmen abzutun, ihn zu belehren und ggf. mit dem Verlassen des Cafes zu strafen. Aber davon hätte er wohl nichts gelernt.
Nach einer Weile (als ich ihn mehrfach von den Kindern wegnavigierte) bemerkte ich dann, dass die beiden ihm ständig nachliefen und dorthin folgten wo er zu spielen entschied. Und da war es wieder: das Zwicken. Ich erkannte: er versucht den Kindern zu vermitteln, dass er gerade ein Bedürfnis nach Freiraum hat und sie weg gehen sollen. Nachdem ich das erkannt und sowohl BB eine Alternative Reaktion aufzeigte und den größeren Kindern dies erklärte, gab es keine Zwischenfälle mehr. Es kann sich also mitunter lohnen erstmal ein wenig abzuwarten bevor man Schlussfolgerungen zieht, Bedürfnisse sind mitunter schwer zu identifizieren.
Bedürfnisse kombinieren
Nun zum Kombinieren. Es gibt natürlich einige Möglichkeiten Bedürfnisse zu kombinieren. Wenn zum Beispiel das Kind gerne in der Blumenerde rumwühlt, wir das aber nicht möchten, könnte man den Kompromiss finden, dass das Kind draußen im Garten/Park in der Erde wühlen kann.
Manchmal geht das aber nicht. Da gibt es mal einen traurigen Verlierer um das letzte Stück Kuchen oder jemanden der mit überkreuzten Beinen vor der Klotür warten muss. In diesem Fall ist es wichtig, dass wir uns als Eltern nicht immer zurück nehmen. Das auch unsere Bedürfnisse mal die wichtigeren sind. So lernen die Kinder wichtige Dinge fürs Leben und wir fühlen uns wertgeschätzt und verstanden.
„You can’t interfere when they’re doing dangerous things carefully“
“If you are going to make your kids tough, which they better be if they are going to survive in the world, you can’t interfere when they’re doing dangerous things carefully.” Jordan Peterson
Viel schwieriger als BB beizubringen mutig zu sein, ist es, mir beizubringen, ihn mutig sein zu lassen.
Es ist unsere eigene Fantasie, die uns manchmal im Wege steht. Da klettert das Kind hinauf und vor unserem geistigen Auge sehen wir es schon fallen. Rückwärts natürlich und mit dem Kopf aufschlagend. Und dann ist es passiert – unsere Hand liegt auf dem Rücken des Kindes, wie eine Art Sicherheitsgurt.
Böse Zungen behaupten, dass wir unseren Kindern damit signalisieren, dass wir ihnen das nicht zutrauen. Das machen wir so oft, bis das Kind es sich selbst auch nicht mehr zutraut. Doch was für einen Menschen machen wir damit aus unserem Kind?
Dann haben wir jemanden großgezogen, der immer auf Nummer sicher geht und immer auf die Unterstützung anderer angewiesen ist. Und ist es nicht eher so, dass wir unseren Kindern Mut wünschen? Die eigenen Grenzen zu kennen, die Sicherheit auf das eigene Bauchgefühl zu hören und den Mut Risiken einzugehen!
Probier es aus
Wenn du es mal testest, dann erkennst du, dass dein Kleinkind durchaus die eigenen Grenzen wahrnimmt und einhält. Es würde nichts machen, wobei es nicht ein gutes Bauchgefühl hat. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, die Unfälle pasieren immer dann, wenn BB sich seiner Sache einfach zu sicher ist, weil er es schon 100 mal erfolgreich gemacht hat. Dann ist er unkonzentriert und stürzt runter.
Der Klassiker bei ihm ist das Stürzen, mit voll Karacho über die eigenen Füße. Allein dabei gab es schon blutige Wunden, blaue Flecken und große Tränen. Aber deswegen kann ich nicht jeden seiner Schritte begleiten und ihn auffangen. Genauso wenig kann ich jedesmal an der Treppe zur Rutsche neben ihm stehen – also kann ich schon, möchte ich aber nicht, das ist nämlich langweilig (meine Bedürfnisse).
Das nächste mal also, wenn dein Kind sich gerade etwas trauen will, was dir ein ängstliches Gefühl bereitet – frage dich, ob es jetzt wirklich notwendig ist, dass du hilfst. Ist die Gefahr wirklich so groß? Und wenn nicht, dann setze dich hin und beobachte dein Kind, du wirst erstaunt sein, wozu es alles fähig ist und wie vorsichtig es dabei vorgeht.
„Hilf mir es selbst zu tun“
Dieses Zitat von Maria Montessori ist wohl das prägendste Zitat aus dem Montessori Bereich. Es klingt sehr einfach und fast schon banal und doch verlangt es mir als Mutter jeden Tag ganz viel ab und ich muss mich noch immer ständig und andauernd daran erinnern.
Sich Montessori Ecken in seinem Zuhause einzurichten (Siehe den Beitrag dazu hier) und das Kind selbstständig machen zu lassen – das reicht nicht aus. Und es würde am Ende auch kein gutes Ergebnis bei raus kommen. Denn so oder so braucht ein Kind Führung. Es braucht seine Eltern, die ihm den Weg weisen und zeigen, wie sie sich in dieser Welt richtig bewegen.
Als erstes ist da also die Hilfe
Ich führe mir ständig vor Augen, dass nicht meine Kinder mich durch den Tag begleiten, sondern ich sie. Ich bin bereits 29 Jahre auf dieser Welt, ich navigiere mich nahezu ganz automatisch durch meinen Tag und brauche dabei keine Begleitung. Sie schon.
Sie brauchen meine Begleitung, wenn sie Gefühle erleben, die sie alleine nicht bewältigen können, sie brauchen meine Begleitung, wenn sie lernen wie das Straßensystem funktioniert und wie man sich an einer Ampel benimmt, sie brauchen meine Begleitung, wenn sie zum aller ersten mal versuchen die Treppe runter zu laufen. Ich begleite sie, bei jedem Schritt.
selbst Tun
Kinder haben das natürliche Bedürfnis sich nützlich zu fühlen und ihre Umwelt zu erforschen. Beides in Kombination führt dazu, dass unsere Kleinkinder ständig alles selbst machen wollen. Sich anziehen, etwas abwaschen oder den Weg zum Supermarkt gehen. Alles wollen sie selbst tun.
Wir Eltern legen uns bei diesem Thema aber oft selbst Steine in den Weg. Wir haben jetzt keine Zeit dafür oder nicht die Geduld. Es geht schneller (oder viel besser) wenn wir es gleich selbst machen.
Jetzt ein Experiment: überlege mal was es in deinem Leben gibt, was du bereits beim aller ersten Versuch perfekt hinbekommen hast. Nicht nur durch Zufall beim ersten Mal, sondern etwas, was du wirklich auf anhieb einfach konntest.
Mir fällt nichts ein – meine erste selbst geschnittene Scheibe Brot war gruselig, mein erste Bild sicher kein Meisterwerk und beim erstenmal Fahrradfahren bin auch ich umgefallen.
Und genau das ist der Grund, warum Kinder etwas selbst machen wollen. Irgendwann machen wir alle die Dinge zum ersten Mal und je früher wir anfangen, desto früher haben wir Erfolg. Diese Motivation den jungen Kindern zu rauben wäre eine Verschwendung.
Die Praxis
So, was bedeutet dies nun aber für die Praxis?
In erster Linie ist es unsere Aufgabe unsere Kinder dabei zu unterstützen, so viele Dinge wie möglich selbst tun zu können und so Selbstwirksamkeit erleben zu lassen.
Sie dürfen (bzw. sollen sogar) im Haushalt helfen, das stärkt ihr Selbstvertrauen, weil sie sich nützlich fühlen und als Teil einer Gemeinschaft. Und sie sollen sich um sich selbst kümmern dürfen. Das stärkt die Selbstliebe und Selbstfürsorge, auch unterstützt es extrem die Eigenständigkeit.
Die Basis dafür ist, dass die Umgebung des Kindes räumlich darauf ausgelegt ist, von ihm selbst bedient zu werden. Dass die Zahnbürste für das Kind erreichbar ist, dass ein Kleinkind einen Plan der Morgenroutine aufgehängt bekommt um alle Aufgaben im Überblick zu sehen und ggf. Kontrolle über die Reihenfolge zu bekommen, oder, dass es sein Outfit des Tages selbst aussuchen darf, weil sein Kleiderschrank auf seine Größe ausgerichtet ist.
Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, dem Kind zeitlichen Raum zu geben. Zeit sich auf die Dinge inzustellen oder auch Zeit Dinge zu erledigen. Ganz besonders wichtig ist bei dieser Umsetzung auch (von Montessori geprägt) die Prämisse, dass wir Kinder nicht (vor ihren Augen) korrigieren.
Ein Beispiel
Stellen wir uns folgende Situation vor:
Dein Kind hat etwas getrunken und gegessen und hat entschieden, dass es das Geschirr nun selbst in die Küche und sogar in den Geschirrspüler legen möchte. Du leitest das Kind dann wörtlich an, welche Schritte es ausführen muss, um zum gewünschten Ziel zu gelangen (aber nur so viel, wie wirklich notwendig ist). Lasse dein Kind dabei Fehler machen und vor allem gib ihm Zeit den Fehler eventuell noch selbst zu korrigieren.
Oftmals brauchen Kinder einfach nur etwas Zeit um zu erkennen, dass etwas nicht richtig ist.
Wenn BB das aber mal nicht gelingt, dann habe ich zwei Möglichkeiten:
1. Ich unterstütze ihn bei der Fehlersuche
z.B. Wenn die Hände noch nicht richtig sauber gewaschen sind, frage ich ihn: „Schau dir mal deine Hände an. Ist dort noch irgendwo Joghurt?“ Und zeige ihm vor, wie ich meine auf Joghurt ‚untersuche‘.
2. Wenn das nicht funktioniert oder nicht möglich ist, dann versuche ich – so oft es geht – den Fehler nicht in seinem Beisein zu korrigieren. Mein Ziel ist es, dass er sich gut fühlt, weil er es selbst gemacht hat, nicht, dass er sich schlecht fühlt, weil ich es als nicht gut genug empfinde.
Zum Beispiel hilft er mir neuerdings beim Fensterputzen – den unteren Teil des Fensters putzt er. Nachwischen tue ich erst, wenn er es nicht sieht.