Geschwisterliebe

Ein Kind ist hart. Zwei Kinder sind härter. Zwei Kinder unter 2 Jahren – das ist Wahnsinn.
So ungefähr würde ich es beschreiben, nachdem ich nun 1 Jahr lang zwei Kinder bemuttern durfte.
Und in all den Monaten, die nun hinter uns liegen, war ein Thema mir immer besonders wichtig: Die Geschwisterliebe. Die ist nämlich weder leicht zu finden, noch leicht zu sähen.
Wie können wir Eltern (vor allem von so jungen Kindern) unsere Kinder dabei unterstützen, die größtmögliche Geschwisterliebe zu erleben?

Beleuchten wir gemeinsam die Themen, die Geschwister so beschäftigen: Nähe, Eifersucht, Teilen und auch Gewalt. Und lasst uns herausfinden, welche Rolle wir Eltern dabei spielen dürfen.

Ausgangslage

Wie immer ziehe ich einen großen Bogen und fange mit meiner persönlichen Geschichte an.
Ich habe keine Geschwister, die im selben Haushalt mit mir groß wurden – lediglich einen Halbbruder väterlicherseits, der auch noch 7 Jahre jünger ist. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass wir uns in 30 Jahren meines Lebens noch nicht einmal im selben Lebensabschnitt befanden. Bei meiner Mutter war ich ein unglückliches Einzelkind.

Dadurch verursacht hatte ich immer den Wunsch 2 Kinder zu bekommen und den Altersabstand so gering wie möglich zu halten. Mein Traum waren immer Irische Zwillinge – doch nach meiner anspruchsvollen 1. Geburt (lies hier gerne meinen Geburtsbericht), brauchte mein Körper dann doch etwas mehr Pause. Es wurden also die klischeemäßigen 2unter2 – mit 19 Monaten zwischen ihnen.

Lasst mich euch eines sagen: wer „nur“ ein Kind hat, kann sich niemals vorstellen, was mit diesem Kind ist, sobald es ein großes Geschwisterchen wird. Vielleicht auch besser so – so würden doch viel zu viele Einzelkinder bleiben. Die Herausforderungen durch die wir als Mutter und 1. Kind gehen sind überwältigend – vor allem im ersten Jahr.

Doch eines war mir in all dieser Zeit immer klar: Was immer auch passiert, was immer ich auf für Fehler mache, sie sollen es niemals auf ihre Beziehung zu einander beziehen. Sie sollen sich nie als Rivalen fühlen.
Ich teile nun also mal ein paar meiner Strategien um die Geschwisterliebe wachsen zu sehen:

Das Baby ist da

Unser BB war der stolzeste Mensch auf Erden, als er zum ersten Mal seinen kleinen Bruder in den Armen hielt. Mit gerade mal 1,5 Jahren hatte er relativ schnell verstanden, was passiert und konnte sein Glück kaum fassen. Die Pure Geschwisterliebe!

Schnell kam aber bei allen die Ernüchterung. So aufregend ist es für die Kinder nicht. Miteinander spielen war schließlich noch unmöglich. Das klassische „Windeln bringen“ war ihm viel zu langweilig und ständig die eigenen Bedürfnisse hinter die des neuen Babys zu stecken war für ihn die Hölle.

Zu meinem Glück (oder Pech, ich kann es noch immer nicht benennen) ist BV ein toller Nachtschläfer. Er hat von der Geburt an viele Stunden durchgeschlafen, zu viele. Über mehrere Monate hinweg hing er täglich ununterbrochen – und ich meine wirklich ununterbrochen – an der Brust. Ich musste stillend kochen, stillend aufräumen, stillend spielen, stillend ein Kleinkind anziehen…
In so vielen Momenten war es mir einfach unmöglich mich um den Großen zu kümmern – sobald ich mal beide Hände brauchte hat das Baby wie am Spieß geschrien.
Und das gepaart mit einem Kleinkind, das gerade die ersten Trotzanfälle erlebt und sich nicht anziehen will, nicht raus gehen will und einfach alles andere auch plötzlich: nicht will.

Dafür zu sorgen, dass sie dabei nicht eine Wut auf einander entwickeln war eine unglaubliche Herausforderung und ich beleuchte einige Bereiche unseres Alltags um aufzuzeigen, wie ich das angegangen bin.

Neugeborenen Phase

Quality Time

Die ersten 3 Monate nehme ich hier noch etwas separat. Ist es doch für alle noch speziell in den ersten diese Baby-Bubble.
In dieser Zeit haben wir darauf geachtet, dass ich als Mutter so oft wie möglich Zeit für den Großen habe. Zu meinem Glück ist BB unglaublich lesebegeistert, weshalb für ihn auf dem Sofa sitzen (das Baby stillend) und Bücher über Bücher zu lesen das Paradies war.

Mithelfen

Das Kleinkind mithelfen zu lassen ist nicht leicht. Gibt es ja noch nicht viele Aufgaben, die es bewältigen kann. Während banale Aufgaben (wie Windeln holen o.ä.) ihm einfach zu öde waren, durfte er aber mal eincremen, Spielzeug zeigen, trösten o.ä.
Noch heute versuche ich ihm aufzuzeigen, welche bedeutende Rolle er im Lebens des kleinen Menschen hat. Manchmal lässt sich der Jüngere nur vom großen Bruder trösten und das erzähle ich ihm. Er darf sich besonders fühlen im Leben seines Bruders. Denn auch das gehört zu dieser Geschwisterliebe dazu.

Hierzu zähle ich auch das Nachahmen. Er hat eine eigene kleine Puppe bekommen und hat diese auch ein paar mal mit einem Schal als Tragetuch um die Brust gebunden und wir sind gemeinsam mit Baby in der Trage in den Supermarkt.
Jedoch waren das nur wenige Momente – er spielt generell wenig mit Puppen und Kuscheltieren.

zu übervorsichtig?

Im Nachhinein frage ich mich, ob wir vielleicht etwas zu übervorsorglich waren während des Kontakts zwischen Kleinkind und Baby. Ein Kleinkind ist unbeholfen – ganz normal. Nur hilft es dem Kleinkind im Umgang (und vor allem mit der Geschwisterliebe) nicht, wenn wir ständig ermahnen: „Sei vorsichtig“, „Nein, nicht so!“, „Lass mich das machen!“ usw.
Ganz nach dem Montessori-Prinzip sollten wir Kinder ja einfach erleben lassen. Und meinem Erfahrungsschatz nach, sind schon die kleinen Babys deutlich robuster als wir ihnen zutrauen.

Ich denke wir waren etwas zu übervorsichtig – und das wäre was, was ich anderen ans Herz legen möchte (oder bei einem weiteren Kind anders machen würde). Lasst das große Kind ruhig auch mal machen. Lieber erklären, statt reagieren ist hier sicherlich ein gutes Motto. Also kein erschrockenes Luftschnappen mehr, wenn das Kleinkind auf dem Baby liegt oder ein Spielzeug auf dem Gesicht gelandet ist. Eine übertriebene Reaktion hilft dem Baby nicht und verunsichert nur das Kleinkind, es kriegt so regelrecht Berührungsängste.

Gleichbehandlung

Das Baby „warten lassen“

Nun wechseln wir in die typischen Babymonate. Die Babys sind da, sie nehmen die Familie und das Geschwisterchen wahr, aber sie können sich noch nicht aktiv darin bewegen. Für mich war das der Beginn der Zeit, in der ich BB signalisiere: Das Baby wird behandelt wie du.

Nun stimmt das per se natürlich nicht. Ein Baby und ein Kleinkind werden unterschiedlich behandelt. Doch es war mir wichtig, dem Großen so oft wie möglich das Gefühl zu geben, es wäre nicht so.

Zum Beispiel habe ich das Baby „warten lassen“.
Wann immer es mal gemeckert hat (und ich wusste, ich muss noch nicht sofort reagieren) habe ich mit dem Baby gesprochen, als wäre es ein Kleinkind. „BV, warte jetzt bitte noch etwas. Ich lese gerade deinem Bruder noch etwas vor. Danach kann ich zu dir kommen.“

Dem Baby ist so kein Schaden passiert, gleichzeitig habe ich aber das Selbstbewusstsein des Kleinkindes gestärkt, indem er merkte, dass er auch mal den Vorzug hat.

Tandemstillen

Das ist der Aspekt, in dem ich mich leider oft wie ein Versager fühle. Ich nutze ja das Prinzip des Baby geleiteten Abstillens. Das heißt, meine Kinder sollen (unter Rücksicht auf meine eigenen Grenzen) sich in ihrem eigenen Tempo von der Brust lösen.
BB hatte sich zum Ende meiner Schwangerschaft schon mit großen Schritten aufs Abstillen zubewegt (nur noch jeden 2. Abend einschlafstillen). Doch nach der Geburt vom kleinen BV ging es rasend schnell und die Eifersucht verleitete ihn zum ständigen Trinken.

Ich wollte ihm diese Nähe geben. Zum einen die Nähe zu seiner Mama, zum anderen wusste ich, dass das Tandemstillen die Bindung zwischen ihnen stärkt. Die ganze Geschichte heben wir für ein anderes mal auf. Aber kurzgesagt, habe ich es nicht wirklich „ertragen“ gleichzeitig zu stillen. Es war rein körperlich zu viel und hat viele Trigger ausgelöst. Ihnen diese Nähe also gleichermaßen zu geben fiel mir sehr schwer. Es wurde jedoch leichter mit der Zeit, als sich das Saugverhalten des Babys änderte. Und es gab schon diese schönen Momente, in denen sie in meinen Armen lagen und miteinander Händchen hielten dabei.

Ich habe es dann zunächst so gelöst, dass sie sich abwechselten. Oder habe Verabredungen mit dem Großen ausgemacht, dass er nur 2 Schlücke macht. So durfte er immer, wann er wollte – aber ich habe meine körperliche Grenze auch wahren können.

sich näher kommen

Wie gerade erwähnt war das Tandemstillen ein großer Aspekt der Nähe zwischen den beiden. BB war immer dabei, wenn ich das Baby gestillt habe, wenn ich das Baby ins Bett gebracht habe, oder wenn ich ihn ins Bett gebracht habe.

Und diese Nähe habe ich komplett gefördert. Schon von Beginn an – wenn sie zum Mittagsschlaf ins große Bett sind, habe ich sie zusammen schlafen lassen. Das Baby war natürlich 10 Minuten später schon wieder wach, aber für einen Augenblick waren es nur sie zwei. Dabei ist es bis heute geblieben. Mittagsschlaf macht nur noch das Baby – aber am Abend gehen sie gemeinsam mit Mama ins Familienbett (manchmal gleichzeitig, manchmal nach einander) und schlafen dort. Die Stunden, bis wir Eltern schlafen gehen nutzen sie ausgiebig zum Kuscheln. Jeden Abend mache ich ein Foto von ihnen, wie sie nun wieder an einander gekuschelt sind. Sie beruhigen sich gegenseitig, helfen beim Wiedereinschlafen und sind sich sehr nahe.

Wenn wir Eltern dann ins Bett kommen liege ich als Mama entweder dazwischen oder lass sie auch gerne mal nebeneinander, seitdem das Baby körperlich robuster ist.

Teilen

Wenn ein Geschwisterchen eines fürs große Kind bedeutet, dann teilen. Aus den Augen des ersten Kindes ist es so:
„Ich habe Mama und Papa und ich habe alle meine Sachen. Plötzlich ist da ein neues Baby. Alle sind ganz aus dem Häuschen und interessieren sich beim Besuchen mehr für das Baby, als für mich. Wenn das Baby etwas braucht, kriegt es immer meine Mama, selbst wenn ich sie auch brauche.
Jetzt ist das Baby größer und will auch noch ständig mit meinem Papa spielen.
Jetzt kann das Baby krabbeln und nimmt sich ständig meine Spielsachen. Ich habe einen Turm gebaut – das Baby macht ihn kaputt. Ich habe mir ein Auto genommen – das Baby will es mir wegnehmen. Es krabbelt mir ständig hinterher und will meine Sachen. Wieso muss ich plötzlich alles hergeben“

So ungefähr stelle ich mir zumindest die innere Gefühlswelt vor. Da ist aus heiterem Himmel ein Mensch bei dir eingezogen und nimmt sich Stück für Stück alles das was du hast.

die Besucher

Die Euphorie beim 2. Kind ist in der Familie nicht mehr so groß. Das haben wir uns zu Nutze gemacht, indem wir den Fokus auf den Großen gelenkt haben. Wer zu Besuch kommt, darf das Baby kurz kennen lernen, aber man spielt mit dem Großen.
Außerdem hatten wir die Regel: Der Große wird mit übergroßer Freude begrüßt und ist derjenige, der das Baby zeigen darf!

So stellten wir sicher, dass er alles mit Oma und Opa erlebt hat, was ihm wichtig war und wenn er bereit war „loszulassen“, hat er ihnen seinen Babybruder gezeigt.

geschenke

Mir ist wichtig in den Kindern auch das Schenken und Gönnen zu etablieren. Es ist etwas Tolles anderen eine Freude zu machen und man darf sich selbst mal in den Schatten stellen und sich für die anderen Menschen, die man liebt, freuen.

Nun, das ist schon recht philosophisch für so ein 1,5 Jahre altes Kind. Doch ich versuche trotzdem immer wieder mit dem Großen gemeinsam ein Geschenk für den Kleinen zu kaufen. Mit ihm zu überlegen, worüber sich das Baby freuen würde oder mit ihm als Quality Time, im Geschäft ein Geburtstagsgeschenk vom großen Bruder auszuwählen.
Natürlich brauch ich nicht erwähnen, dass seine Versuchung groß war, sich einfach selbst etwas auszusuchen und es als „Geschenk“ zu verpacken. Aber wir haben uns dann auf Legosteine geeinigt, die ein tolles Spielzeug zum gemeinsam Spielen sind.

Spielsachen

Ich habe mir Mühe gegeben, das Thema Spielsachen Schritt für Schritt anzugehen. Am Anfang gab es natürlich die Spielsachen für den Großen und die Babysachen. Da gab es selten Probleme. Die fingen ab ca. 6 Monaten an, als das Baby mobil wurde und anfing aktiv auf die Spielsachen des Großen los zu steuern.

Wir hatten diesbezüglich einen großen Vorteil – bis vor einem halben Jahr hatten die Kinder kein eigenes Zimmer. Die Spielecke war Teil des Wohnzimmers und ihre Sachen waren einfach in der ganzen Wohnung verstaut. Vor einem halben Jahr haben wir dann Räume getauscht und aus dem Wohnzimmer wurde das Spielzimmer (übrigens, die beste Entscheidung überhaupt!).

So sind wir das Teilen der Spielsachen angegangen

  1. Alles gehört dem Kleinkind. Außer die Babyspielsachen
  2. Das Baby hat einen eigenen Bereich zum Spielen
  3. Kleinkind zum Zeigen seiner Spielsachen animieren
    („BV fragt ob er sich dein Auto mal ansehen darf. Kannst du ihm mal zeigen wie es fährt?“
    Oft kam eine Reaktion a la : „Schau V., mein blaues Auto kann so schnell fahren.“)
  4. Ab dem Moment, wo das Baby anfängt Spielsachen vom KK zu nehmen, kriegt das Baby Geschenke „fürs KK“
    (Der Papa hat hier einfach ein paar HotWheels Autos mitgebracht. Ein paar für den Großen, ein paar für den Kleinen.)
  5. Das KK interessiert sich für die Autos vom Baby – wir animieren zum Tauschen und führen das „gemeinsames Zimmer – alles gehört beiden“ Prinzip ein
  6. immer wieder die Situationen besprechen

Mit Punkt 6 ist gemeint, dass wir nach dem Vorschlagen vom Tauschen schleichend dazu gekommen sind, das alles beiden Kindern gehört. Wie gesagt hat uns hier der Start des gemeinsamen Zimmers sehr geholfen. Aber immer wieder haben wir dem Großen erklärt, dass sie sich alles teilen, dass man einfach wartet, bis der andere fertig ist und dann darf man selbst damit spielen, dass man was zum Tauschen anbieten kann usw.

Gewalt unter Geschwistern

Eine Frage in meinem Q&A auf Instagram lautete: Ist dein Großer auch aggressiv dem Kleinen gegenüber? Und diese Frage hat mich schlussendlich zu diesem umfangreichen Artikel bewegt.

Ja, mein Sohn war sehr aggressiv und hat oft Gewalt angewendet. Nicht nur seinem kleinen Bruder gegenüber, sondern auch plötzlich allen anderen Kindern und auch uns Eltern gegenüber.
Ich werde sein Verhalten nicht rechtfertigen – trotzdem ist es an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass seine Aggressivität deutlich vielschichtiger war als Eifersucht. Ich hatte eine Wochenbettdepression, hatte Trigger rund um meine Mutterrolle, dem Stillen und ihren Bedürfnissen. Seine Gefühlslage spiegelte sich darin wieder.

Darum soll es jetzt aber nicht gehen, sondern darum, wie wir damit umgegangen sind, damit diese Aggresivität nicht der Geschwisterliebe im Weg steht.

Zuerst die Sicherheit

Angefangen hat das Verhalten mit niedlich aussehenden Experimenten. Plötzlich hat er dem Baby mal eins auf den Deckel gegeben und ich habe richtig in seinem Gesicht gesehen: „Huch, der weint ja gar nicht. Was passiert, wenn ich das nochmal mache?“ Aus diesem spielerischen Kennenlernen wurde jedoch irgendwann das Gefallen daran, dass es im Gegenüber eine Reaktion (meist das Weinen) ausgelöst hat. Meine Vermutung ist bis heute, dass es ihm einfach ein Macht- und Kontrollgefühl gegeben hat.

Als wir dieses Muster erkannten haben wir sofort alle Register gezogen und die Kinder 100% der Zeit beaufsichtigt.
Selbst wenn ich nur für 2 Minuten auf der Toilette saß und das Baby neben mir, hat der Große die „Chance“ genutzt und das Baby einfach umgeschubst. Die Sicherheit aller geht vor und vor allem die des Babys. Also, niemals außer Reichweite sein.

Weniger ist mehr

Langes Reden und Erklären bringt hier gar nichts. Also gab es bei uns 2 Sätze, die wir immer wieder wiederholten.
Wir gingen dafür auf Augenhöhe des Kindes, hielten beide seine Hände und sagten:
„XYs Körper bleibt heile!“
„Deine Hände bleiben bei dir!“

Wir nutzen keine Bestrafung in Form von Stillertreppe o.ä. wir beließen es beim Verhindern und diesen prägnanten Sätzen. Wir zeigten jedoch stets unsere Freude über positive Interaktionen oder wenn er sich beherrschen konnte.

Auch haben wir ihn nie zum Entschuldigen gezwungen. Von Anfang an haben wir ihm Optionen aufgezeigt, was er im Anschluss an sein „Fehlverhalten“ tun kann. Trösten, auf Helfen, Entschuldigen usw. Er wurde jedoch nie dazu gezwungen, sondern nur dazu eingeladen. Heute entschuldigt er sich übrigens aufrichtig von selbst – es kommt also mit der Zeit ganz allein.

Gefühle

Für jedes 2 jährige Kind sind Gefühle wohl das Hauptthema. Nur, mit kleinem Geschwisterchen zuhause sind die Gefühle plötzlich ganz extrem. Wir haben dafür Geschwisterbücher, Gefühlebücher und Co. gekauft und diese gemeinsam verschlungen.

Wir boten außerdem gesunde Alternativen für das Rauslassen der Gefühle an – dies war ein Lernprozess auch für mich als Mutter. Ich wurde oft getriggert durch das Stillen, die Überforderung oder durch die Aggression zwischen ihnen, so dass auch ich mir gesunde Wege für meine Wut antrainieren durfte. Ihm dabei ein Vorbild zu sein, war wohl das Wichtigste. Folgende Strategien haben wir für ihn entwickelt:

  • Werfen tun wir nur Bälle (keine Spielsachen)
  • Hauen dürfen wir Polster
  • Wenn nichts hilft: einfach Schreien (am besten in ein Kissen)
  • Polster auf den Boden schmeißen zum Ablassen der Energie
  • Treten tun wir nur den Fussball
  • Hüpfen oder Klatschspiele

Hierbei spielte auch der Papa eine ganz große Rolle. Auf dem Spielplatz richtig toben, auf dem Bett Kräfte messen oder im Kinderzimmer IceHockey und BodyCheck spielen – das hat ihn sehr ausgeglichen und der Papa hat ihn natürlich den Starken sein lassen.

Regulierungsstrategien sind hier auch hilfreich. Zum Beispiel auf eine Decke legen und die Eltern schaukeln das Kind hin und her. Wie ein Burrito einrollen. Oder das Kind auf den Schoß nehmen und wie einen Kegel hin und her Schaukeln.
Mittlerweile spielen wir schon mit dem Gedanken an eine Sensorikschaukel, um noch mehr Ballance anzubieten.

Umleiten

Die Alternativen, die ich oben genannt habe, streifen das Thema schon recht gut. Das Verhalten soll umgeleitet werden und das so konsequent, dass das Kind irgendwann die Umleitung nimmt, bevor es Haut oder Beißt.

BB zum Beispiel lässt immer einen furchtbar lauten Schrei, wenn sein kleiner Bruder kommt und sich auf seine Holzbahn stürzt. Er hat einfach Sorge, dass der Kleine die Schienen auseinander nimmt. Der laute Schrei ist nicht die schönste Art, aber es funktioniert – und so langsam finden wir auch davon weg.

So auch mit dem Beißen – da findet man Strategien, wo das Kind hinein beißen kann und animiert das Kind dazu, das Bedürfnis vorher zu äußern. Beißringe, nasse Stoffwindel, Polster uvm. eignen sich da gut.

Schubsen

Zu guter Letzt das Kontroverseste in diesem ganzen Text. Mein Sohn war ein Schubser. Er ist in Spielgruppen einfach Wahllos auf die Kinder zugestürmt und hat sie umgeschubst. Und natürlich hat er auch ganz häufig den kleinen Bruder umgeschubst.

Eines Tages habe ich dann entschieden, dass ich alles auf eine Karte setze. Und habe das „Spiel-Schubsen“ eingeführt.
Da er für einen Kampfsport noch zu jung ist, dachte ich, möchte ich ihm die Möglichkeit geben, dieses „Kämpfen“ auszuprobieren.

Er durfte also seinen kleinen Bruder zum Schubsen einladen. Die Regeln lauteten: Nur auf dem Bett und nur gemeinsam mit Mama. Außerdem muss er den kleinen Bruder fragen und der muss (anfangs mit einem Grinsen) zustimmen.
Wir saßen dann auf dem Bett, ich habe aufgepasst, dass es nicht zu gefährlich wird und habe ihnen das „Toben“ beigebracht.
Wie erkenne ich, dass es dem anderen Spaß macht? Woran merke ich, wenn es Zeit ist aufzuhören?

Mein Mann hielt mich zunächst für total verrückt. Wir kämpften mit Gewalt in der Geschwisterbeziehung und ich biete ihnen auch noch so eine Plattform. Aber tatsächlich hat sich das gewaltsame Schubsen dadurch komplett verflüchtigt. Eine Weile haben wir es immer angeboten, nachdem er geschubst hat oder bei der Abendroutine. Mittlerweile entsteht es einfach aus der Situation heraus. Und wir sind da angekommen, wo auch der kleine Bruder immer öfter mal beim Rangeln oben auf dem Großen draufsitzt und gewinnt.

einfach lassen

Ich lade dich also dazu ein auch mal ein bisschen Outside of the Box zu denken und den Kindern ihre Rivalität zu lassen. Es ist absolut wichtig, dass wir sie in ihrem Tun begleiten, anleiten und zu ehrenvollen Menschen erziehen. Aber sie dürfen auch sie selbst sein. Beide Kinder lieben diese Kämpfe miteinander (ja, auch als er noch kleiner war fand V. es total toll im Spiel umgeschubst zu werden) – wieso sollte ich ihnen also aufzwingen „dass man das nicht darf!“ Gleichzeitig ist es doch eine so tolle Gelegenheit ihnen Dinge beizubringen.

Ich weiß, dass man es in diesem Moment nicht sieht. Zu schmerzhaft ist es diese Aggressivität zwischen Geschwistern zu sehen. Aber am Ende dieses Weges werdet ihr alle so viel dazu gelernt haben. Versuche also diese Situationen so zu sehen, dass sie eine tolle Gelegenheit sind, deinen Kindern beizubringen, wie sie sie selbst sein können, ohne anderen zu schaden.
So können wir die Geschwisterliebe wachsen sehen.

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